Synoptischer Vergleich

 
 
 

Der Synoptische Vergleich

In diesem Arbeitsschritt wird die Frage nach dem Verhältnis des zu untersuchenden Textes zu Parallelüberlieferungen gestellt. Diese Form der Textanalyse ist also überall dort möglich, wo Mehrfachüberlieferungen vorliegen. Im Neuen Testament ist dieser Arbeitsschritt vor allem im Bereich der synoptischen Evangelien anwendbar. Darüber hinaus gibt es nur wenige Texte, die mehrfach überliefert wurden.


Ziel dieses Arbeitsschrittes ist es, das besondere Profil des zu untersuchenden Textes im Gegenüber zu weiteren Überlieferungen desselben Stoffes zu zeichnen. Neben dieser stark linguistischen Frage ist auch die nach dem relativen Alter der Texte zueinander zu stellen. Dieses ist notwendig, um zeigen zu können, wie sich die Überlieferung unter spezifischen historischen Bedingungen veränderte.


Leitfragen zu diesem Arbeitsschritt gibt es vor allem zwei:

Welches sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Parallelüberlieferungen?

  1. Was besagt das Ergebnis über die sachliche Pointierung der einzelnen Texte?


Methodisch bietet sich zum ersten Einstieg eine Gegenüberstellung der Texte bzw eine Auflistung der Unterschiede an.



Zum Beispieltext


Mt 8,5-13 hat in Lk 7,1-10 eine parallele Überlieferung, die sich sprachlich und inhaltlich jedoch mehrfach von der mt Version unterscheidet.


In Lk 7,3 wird davon berichtet, der Hauptmann habe Knechte zu Jesus ausgesendet. Anders als in der mt Version geht er demnach nicht selber Jesus entgegen, sondern schickt zu diesem. Die Knechte stellen ihren Herrn dann in V4 mit den Worten vor: ,Er ist es wert, dass du ihm die Bitte erfüllst.“ Dieses steht in krassem Gegensatz zu dem ,ich bin es nicht wert‘, das der Hauptmann sowohl in der lk, als auch in der mt Version auf Jesu Wunsch, den Kranken im Haus aufzusuchen, entgegnet. Die Bewertung, die die Knechte in der lk Version verlauten lassen, findet sich in der mt Version nicht. Begründet wird die Wertschätzung des Hauptmanns damit, dass er die Synagoge in Kapernaum erbauen ließ. Auch dieses fehlt in der mt Version.

Der Höhepunkt des gesamten Lk-Textes liegt schließlich in der Handlungsanweisung zur Fernheilung, die sich auch im Mt-Text findet. Doch anders als bei Matthäus führt dieser Glaubensgehorsam, den der Hauptmann dort ausspricht, zum Höhepunkt des gesamten Textes. Matthäus schließt an die Aussage über den Glauben des Hauptmanns die Rede Jesu über die Teilnahme am eschatologischen Mahl an. Diese findet sich zwar bei Lk auch, dort jedoch in einem andersartigen Kontext (Lk 13,28f.).


Fazit: Lukas betont in seiner Version verstärkt die Rolle, die der Hauptmann für die Stadt Kapernaum und die dortige jüdische Gemeinde hat.  Mit dem Synagogenbau ermöglichte er der Gemeinde, ihr geistiges Leben in vollem Umfang auszuüben. Sein Glaube speist sich also aus der Ehrfurcht vor Jesus ebenso wie vor seiner praktischen Hilfe für die in Kapernaum ansässige Gemeinschaft.

Die Ergänzung des Spruches über das eschatologische Mahl in Mt 8,11f., der offensichtlich nicht zum Grundbestand der Erzählung, die in ihren Grundzügen wohl aus Q stammte. Matthäus hebt die Vorstellung von der eschatologischen Scheidung hervor, nach der am Ende der Tage der sich für ihn ergebende corpus permixtum auflösen wird. Diese Vorstellung übernimmt er offensichtlich aus Q, stellt sie in diesem Zusammenhang aber an exponierter Stelle heraus. Während sich der Glaube bei Lk also in Tat und Wort und damit für den Zeitzeugen eindeutig erkennbar wiederfindet, ist es bei Mt das eschatologische Gericht Gottes, das zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen ergeben wird.

 

Die Grundlage des Synoptischen Vergleichs ist die Zwei-Quellen-Theorie. Textbeobachtungen an allen drei synoptischen Evangelien legen den Schluss nahe, dass das MtEv und das LkEv zwei gemeinsame Quellen hatten: das MkEv (in einer pro-kanonischen Form) und eine Spruchsammlung (Logienquelle Q), in der Lehrsprüche Jesu gesammelt waren. Außerdem bieten MtEv und LkEv Überlieferungen, die in keinem anderen Evangelium vorkommen. Diese Einzelüberlieferungen werden als Sondergut bezeichnet.